24. April 2016

Kiezflugblatt zum revolutionären 1. Mai in Neukölln

Liebe Neuköllnerinnen und Neuköllner,
wir wollen euch herzlich dazu einladen, am diesjährigen 1. Mai um 13 Uhr am Neuköllner Karl-Marx-Platz zusammenzukommen und ein Zeichen der Stärke und der Solidarität in unserem Kiez zu setzen.

 1. Mai – unser Tag!

Der 1.Mai ist seit jeher der Tag der Arbeiter auf der ganzen Welt, entstanden aus den Arbeitskämpfen der amerikanischen Fabrikarbeiter um den 8-Stunden-Tag. Damals wurde der Streik blutig niedergeschlagen, wie es die Herrschenden zu tun pflegen, wenn es ihnen an den Kragen geht. Dann behaupten sie, sie hätten uns alles geschenkt, dabei wurde alles hart erkämpft. Seit damals finden überall auf der Welt an diesem Tag Demonstrationen und Kundgebungen statt.

Heute wie damals ist unser Alltag immer noch von Massenarmut, Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit, Bullenstress und Verdrängung geprägt. Noch immer werden Kriege auf dem Rücken der Völker geführt, Tausende Menschen zur Flucht gezwungen und uns das dann als „Flüchtlingsproblem“ verkauft; noch immer sind es Millionen, die hart arbeiten, um überleben zu können und nur einige Wenige, die in Luxus leben (und das sind in der Regel diejenigen, die für uns die politischen Entscheidungen treffen oder für die wir arbeiten). Alles wird daran gesetzt, uns vergessen zu lassen, dass Widerstand möglich und notwendig ist.


Das Geld regiert

Wann können wir unsere Probleme auf die Straße tragen und zeigen, dass wir die Schnauze voll haben – so, dass wir gehört werden? Wann können wir die Kraft unserer Klasse und die Wut, die wir tagtäglich in der Schule, auf Arbeit oder im Jobcenter spüren, zum Ausdruck bringen? Und wir haben allen Grund wütend zu sein: Neukölln gilt als der „Problembezirk“ Berlins, vor allem für seine Negativschlagzeilen wegen „Ausländerproblem“ und „Jugendkriminalität“ bekannt. Neukölln ist einer der ärmsten Bezirke Berlins; viele hier haben mehrere Jobs oder arbeiten im Niedriglohnsektor. Die Kitas sind überfüllt und das Geld reicht oft nicht aus, um die Familie anständig zu versorgen. Die soziale und kulturelle Arbeit wird ständig gekürzt und die Jugendlichen hängen auf der Straße ab, was oft mit einem Bulleneinsatz endet. Viele Familien leben schon seit Jahrzehnten in den Neuköllner Kiezen, doch wird das Wohnen auch hier immer teurer und deutlich abzusehen sind die Pläne zur Umgestaltung Neuköllns zu einem „hippen“ Bezirk mit zahlungskräftigen Anwohnern. Auf der Seite eines Luxusbauunternehmens heißt es:

„[…] das Neuköllner Gebiet nordöstlich des Hermannplatzes ist besonders beliebt bei Studenten, Nachtaktiven und Künstlern jeder Fasson. Darüber hinaus säumen zahlreiche Modeboutiquen, Designerläden, Plattenläden sowie Cafés und Restaurants die Straßen (Nord-) Neuköllns. […] Mit dem Schillerkiez wurde die Entwicklung zu einer Mittelschichtsgesellschaft in den begehrten Wohnlagen Berlins wieder einmal vorangetrieben. Noch vor fünf Jahren wurde ein Gewerbeleerstand beklagt. Die Gebäudesanierungen, die Preise für Hähnchen, Risotto und Spätzle und die multikulturellen Neuberliner zeugen hingegen von einem aufstrebenden Kiez mit zunehmenden Wohnraumbedarf.“

Es ist klar, auf wen diese Entwicklung abzielt: neues, kaufkräftiges Klientel ohne Ausländerprobleme und Jugendkriminalität. In Neukölln sind zahlreiche Bauprojekte geplant, angepasst an die Neuberliner mit dicker Geldbörse. Wir werden uns die Mieten nicht leisten können. Aus einem Arbeiter- und Migrantenviertel wird nach und nach eine schicke Touristenattraktion „mit Berliner Flair“. Tatsache ist nur, dass sich die Berliner das Flair und die Luxussanierungen ihrer Häuser nicht leisten können, in dieser bürgerlichen „Demokratie“ aber keine Chance haben, sich gegen die Zwangsumsiedlungen zu wehren – denn das Geld regiert. Der Berliner Senat braucht keine Negativschlagzeilen – und wir sind denen scheißegal.

Die Jugend

Die Jugend ist die Zukunft. Doch werden wir tagtäglich durch die Medien dumm gehalten und von den Herrschenden für dumm verkauft. Wir werden durch rassistische Vorurteile und falsche Propaganda gegeneinander aufgehetzt und unser Bewusstsein durch Drogen vernebelt. Wir werden wie Nutzvieh dazu erzogen, unser Leben lang für die Bonzen zu schuften und das auch noch hinzunehmen, als wäre das normal. Das bisschen Luxus, was uns als Lebensziel erscheint und was für die in den Regierungssesseln und Chefetagen nur ein paar Brotkrumen sind, wird auf dem Rücken von unseren Brüdern und Schwestern in den sogenannten „Entwicklungsländern“ produziert. Sie verbluten für die Profite der Großunternehmen und uns wird damit das Maul gestopft. Doch wo Elend herrscht, da regt sich auch Widerstand. Schaut euch die Türkei, Brasilien, Indien, Griechenland, Frankreich usw. an – dort wehren sich die Menschen gegen die Ausblutung ihres Landes, gegen politische Unterdrückung und rassistische Hetze. Sie tragen ihre Wut auf die Straße – gemeinsam und stark, geben dem Staat Kontra. Es ist keine sinnlose Zerstörungswut, sondern das Zeichen, dass etwas Neues entstehen muss.

Die Flüchtlinge

Groß geistert das Gespenst der Flüchtlinge durch die Massenmedien. Sie sind angeblich für unsere wachsende Armut verantwortlich, nehmen uns den Wohnraum weg und sorgen für steigende Kriminalität. Dass diese Menschen sich auf der Flucht vor Zerstörung und Tod befinden, deren Ursache die Kriege sind, die Staaten wie Deutschland auf der Jagd nach Macht und Profit entfesseln, wird in den Medien erfolgreich totgeschwiegen. Es ist viel einfacher die Menschen glauben zu lassen, die Flüchtlinge seien an ihren Problemen Schuld. Lasst euch nicht verarschen – steht zusammen gegen Ausbeutung und Unterdrückung!

Unser Kiez, unsere Straßen, unser Leben!

Neukölln hatte auf Grund seiner multikulturellen Zusammensetzung, seiner ereignisreichen Geschichte und seiner Prägung als „Arbeiterbezirk“ schon immer diesen Kampfgeist, an den wir jetzt erinnern wollen. Damals, zu Zeiten der Nazi-Terrorherrschaft, wohnten viele Widerstandskämpfer und -kämpferinnen in den Straßen und den Häusern, in denen wir heute wohnen. Die meisten von ihnen waren Kommunisten und wurden hart verfolgt – ganz einfache Arbeiter, Lehrer, Sportler, Schüler und Studenten, die für eine bessere Zukunft gekämpft und ihr Leben für uns gegeben haben. Am Blutmai 1929, wo auf einer 1. Mai-Demonstration die Polizei wahllos in die Menge schoss, Wohnhäuser mit Maschinengewehren angriff und über Berlin ein Ausnahmezustand verhängt wurde, bekannte Neukölln Farbe: Rote Fahnen wurden aus unzähligen Fenstern gehangen – ein Zeichen des Widerstands, der Kraft und der Hoffnung allem zum Trotz!

Man kann nicht ewig wie ein Stück Vieh leben!

Glaubt nicht die Lügen, die Bild, BZ und Co verbreiten, die die Politiker euch jeden Tag erzählen, lasst euch nicht gefallen wie sie euer Viertel zerstören, euch das Geld aus der Tasche ziehen und sich mit dem, was eure Hände schaffen, bereichern. Leistet Widerstand! Der 1. Mai ist mehr als nur ein Feiertag in der Woche; er ist immer noch die Demonstration der Stärke aller, die unter dem Kapitalismus leiden; hier in Deutschland und auf der ganzen Welt.

Kommt zur 13-Uhr-Demonstration am 1. Mai in Berlin-Neukölln, habt Mut zu kämpfen, habt Mut zu siegen! Zeigen wir ihnen, dass die Neuköllner Straßen und Häuser nicht bloße Zahlenreihen sind, aus denen man Profit schlagen kann, sondern voller Leben und dieses Leben stark ist und nicht auf sich rumtrampeln lässt!

Neuköllner – wehrt euch und kämpft gegen Verdrängung, Perspektivlosigkeit, Ausbeutung und Unterdrückung!

Rebellion ist gerechtfertigt!

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